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Aoife

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Review: Germania

Germania: Roman - Harald Gilbers

In der zerbombten Reichshauptstadt macht ein Serienmörder Jagd auf Frauen und legt die verstümmelten Leichen vor Kriegerdenkmälern ab. Alle Opfer hatten eine Verbindung zur NSDAP. Doch laut einem Bekennerschreiben ist der Täter kein Regimegegner, sondern ein linientreuer Nazi. Der jüdische Kommissar Richard Oppenheimer, einst erfolgreichster Ermittler der Kripo Berlin, wird von der Gestapo reaktiviert. Für Oppenheimer geht es nicht nur um das Überleben anderer, sondern nicht zuletzt um sein eigenes. Womöglich erst recht dann, wenn er den Fall lösen sollte. Fieberhaft sucht er einen Ausweg aus diesem gefährlichen Spiel.

 

 

NB: Diese Rezension bezieht sich auf das gekürzte Hörbuch

 

1) Das Buch an sich:

 

Es gibt eine Stelle an der Oppenheimer von einer Freundin gefragt wird ob er den letzten Montag gut überstanden hat. Zuerst weiß er gar nicht wovon sie spricht, dann fällt ihm ein, dass es an dem Tag ja einen Bombenangriffs in der Nähe seiner Wohnung gegeben hat.
So eine Szene zeigt ja sehr viel. Aus heutiger Sicht ist es schwer vorzustellen, dass man so etwas einfach vergisst und dass Oppenheimer es doch tut zeigt so einiges über die damaligen Zustände/Oppenheimers Zustand.

Eigentlich ist so eine Szene prima. Eigentlich. Leider traut der Autor seinen Lesern wohl nur einen IQ knapp über Zimmertemperatur zu, denn am Ende der Szene sinniert Oppenheimer dann noch schnell darüber, dass es wirklich seltsam ist, dass er so etwas einschneidendes wie einen Bombenangriff nur wenige Tage später wieder vergessen hat und wie das andere, die das nicht selbst erleben, kaum verstehen können.

Das ist nicht die einzige Szene in der der Autor erst beweist, dass er Gefühle u.ä. eigentlich ganz gut zeigen kann aber gleich noch eine Erklärung von dem was er gerade gezeigt hat nachschiebt. Das ist noch frustrierender als ein Autor, der nur erklärt, denn er kanns ja. Eigentlich.

 

Dazu kommen noch eine unglaubliche Menge an Infodumps. Und zwar die der schlimmsten Sorte, die wirken als wären sie direkt aus einem Geschichtsbuch kopiert. Über die Reichspogromnacht, die Presse im 3. Reich, welche Autoren verboten waren, die genaue Funktionsweiße und Aufgabenbereiche von SS, Gestapo und SD… Zum einen kann man sich fragen ob man nicht zumindest bei einigen dieser Dinge erwarten kann, dass der Leser zumindest die Grundlagen davon schon weiß. Zum anderen, selbst wenn jemand dieses Buch liest für den all das neu ist: über die Hälfte der Dinge sind für die Handlung sowieso  nicht relevant sind. Um dem Plot folgen zu können muss ich nicht wissen, dass Tucholsky und Kästner verboten waren.
Das einzige was nicht mit einer halbseitigen Erklärung versehen ist, ist die ständige Pervitin-Einnahme der Charaktere. Aus dem Kontext konnte man zwar herauslesen, dass es sich um irgendeine Art von Stimmungsaufheller handeln muss aber es blieb so vage, dass ichs am Ende doch selber gegoogelt habe. (Mit anderen Worten: Der Autor meint seinen Lesern sagen zu müssen, dass Bücher von Karl Marx in der NS-Zeit verbrannt wurden, aber erwartet, dass sie etwas über ein Arzneimittel wissen, das seit 1988 nicht mehr vertrieben wird).

 

2) Der Krimi

 

War…OK. Am Ende vielleicht ein bisschen zu viele glückliche Zufälle aber für mich hielt sich das noch im erträglichen Rahmen. Und schließlich ist Germania kein typischer Krimi, der in einem (mehr oder weniger) demokratischen Land spielt, mit einem Ermittler der klare Befugnisse hat sondern ein Krimi mit einem jüdischen Ermittler in Berlin 1944. Wenn man da trotzdem noch einen typischen Krimi mit Ermitteln, Hinweisen und einem Täter der klar identifiziert (und bestraft) will, dürfte es schwierig sein das ohne den einen oder sehr glücklichen Zufall zu schaffen.

 

3) Hm…ja

 

Und dann ist da natürlich noch die ganze Prämisse. Die mich auch erst sehr skeptisch gemacht hat, weil ich befürchtet habe der Autor würde ‚jüdischer Ermittler in Nazi-Deutschland‘ nur als eine Art Gimmick verwenden. Frei nach dem Motto ‚da können die ganzen Skandinavischen Kommissare noch so traurig schauen, so tragisch wird ihr Leben nie‘ aber die Befürchtung war unbegründet. Trotzdem hätte man es sicher auch besser machen können. Wie die Krimihandlung und das Buch an sich ist es einfach mittelmäßig. Vielleicht ein bisschen besser, da z.B. Begegnungen zwischen Oppenheimer und alten Bekannten, die ihm sagen, dass sie ja nichts gegen ihn persönlich haben aber die Juden an sich… tatsächlich so stehen gelassen werden und ohne anschließend Erklärung was er von solchen Kommentaren hält auskommt.


Aber das geht dann stellenweise wieder zu sehr in die andere Richtung. Nach knapp der Hälfte des Buches fängt Oppenheimer nämlich an ein doppeltes Spiel zu spielen und Informationen an jemanden weiterzugeben, von dem er hofft, dass er ihn aus Deutschland rausschmuggeln kann und…das tut er einfach. Ohne das irgendwie darauf eingegangen wird, was passiert wenn das rauskommt. Zwar erwarte ich nicht, dass er ständig darüber nachdenkt aber dass er es gar nicht tut, ist auch schwer zu glauben.

 

Alles in allem: durchschnittlicher Durchschnitt aus dem man hätte mehr machen können. Band zwei höre ich vielleicht irgendwann mal, aber eigentlich hab ich genug andere Hörbücher.