“Der Großkanzler von Ostár“ ist auf jeden Fall ein erfrischend unklischeehafter Fantasyroman. Es gibt keine Magier, Elfen, Zwerge oder Drachen. Gut es gibt eine Prophezeiung aber wir folgen nicht nur der Person auf den sich diese Prophezeiung (wahrscheinlich) bezieht und sehen ihr dabei zu wie sie aufwächst. Der Handlungsstrang um Felard und seine Familie ist nur einer von mehreren in diesem Roman. Daneben geht es noch um den Großkanzler Gongwalf und seine (wenig demokratischen) Versuche seine Macht zu erhalten, eine daraus indirekt resultierenden Studentenrevolte, eine Priesterin, die – für sie selbst ganz überraschend – erstaunliche Fähigkeiten erhält und die Bedrohung durch die steinernen Krieger, die schon ganze Landstriche verwüstet haben (das behaupten zumindest einige).
Im laufe des Buches werden – sehr langsam – die Zusammenhänge zwischen einiger dieser Ereignisse klar, aber vieles bleibt auch noch offen und wird dann wohl erst in den Folgebänden ganz aufgedeckt.
Damit kommen wir auch schon zu einem Schwachpunkt des Romans. Erste Bände sind immer sehr reich an Exposition, hier wird das noch kombiniert mit der Tatsache, dass sehr viele Figuren und Handlungsstränge vorgestellt werden. Das führt dazu, das für mich das Buch erst nach knapp der Hälfte so richtig an Fahrt aufgenommen hat, davor wurde viel beschrieben und erklärt aber es ist nur wenig passiert. Als es dann aber so richtig losging war ich gepackt und nun interessiert mich brennend wie sich all das weiterentwickeln wird.
Ein wenig verwirrt war ich von der Welt in der der Roman spielt. Vieles wirkt spätmittelalterlich und nicht so anders als viele andere Fantasy-Welten, gleichzeitig scheint aber das Hochschulsystem ein paar Jahrhunderte moderner und passt nicht so ganz in die Zeit. Da die Studenten aber einen durchaus relevanten (und interessanten) Beitrag zur Handlung liefern kann ich da mal ein Auge zudrücken.
Bei den vielen Handlungssträngen und nur 328 Seiten ist es unvermeidlich, dass bei der Charakterisierung der Protagonistin nicht zu sehr in die Tiefe gegangen wird und einige bleiben auch ein wenig blass. Andere dagegen lassen durchaus sehr interessante Ansätze erkennen und besonders Gongwalf – der Titelgeber – hat es mir angetan. Er greift zwar wie gesagt zu unlauteren Mitteln um seine Herrschaft zu erhalten aber er wirkt nicht wie ein 08/15-böser Herrscher (seine Regierung bis zum Beginn des Buches scheint durchaus ordentlich verlaufen zu sein) bei dem man sich fragt warum das Volk nicht schon längst rebelliert hat.
Etwas unangenehm aufgefallen sind die Namen der Charaktere (und Orte). Einerseits ist es erfreulich, dass mal ein Autor nicht einfach in normale Namen ein paar Ys einschiebt, was ja in der Fantasy die Norm zu sein scheint. Andererseits hat er dafür eine starke Zuneigung zu Akzenten. Gut die Hälfte der Namen haben welche (und in wie weit sich 'Furtágklén' aussprachetechnisch von 'Furtagklen' unterscheidet weiß ich jetzt auch nicht) und selbst ohne die sind die Namen allesamt so exotisch und ungewohnt, dass es schwer fällt sie sich zu merken. Ich musste recht häufig das Personenregister konsultieren um festzustellen wer denn nun wer war.
Alles in allem überwiegen aber die positiven Seiten und ich bin schon gespannt auf Band 2.