Das Rad neu erfunden wird in Tabu sicher nicht. All das war irgendwie schon einmal da: eine (gutaussehende) Forensik-Expertin, die es nicht so ganz lassen kann ihre Nase in die polizeilichen Ermittlungen zu stecken (wobei Reilly hier noch recht zurückhaltend ist) und die eine dunkle Vergangenheit mit sich herumschleppt. Nun muss etwas ja nicht schlecht sein, nur weil es nicht neu ist und zu Beginn des Buches wirkt es auch recht vielversprechend. Der Fall ist sehr spannend, und obwohl die Grundidee ja wie gesagt nicht neu ist, ist es die Idee mal einen Serienkiller auf Freuds Spuren wandeln zu lassen. Obwohl die Morde teilweise recht brutal sind hat man nicht das Gefühl, dass die Autoren sich in den Beschreibungen dieser Grausamkeiten suhlen und die Brutalität nur der Effekthascherei wegen geschildert wird, man erfährt quasi nur genug um zu wissen „was Sache ist“. Positiv aufgefallen ist auch, dass Tabu nicht wie so viele andere Krimis dieser Art nicht in irgendeiner mehr oder weniger anonymen Großstadt spielen sondern in Dublin, und man merkt dem Autorenduo an, dass sie sich dort (und in Irland generell) wirklich auskennt und nicht nur ein paar Namen von Straßen und Sehenswürdigkeiten fallen lassen und so tun als ob.Das war dann aber leider schon alles positive, dass ich zu diesem Buch sagen kann. Für mich brauchen Krimis, mehr noch als andere Genres, eine wirklich sympathische Hauptfigur und Reilly ist definitiv keine. Besonders zu Beginn kommt sie sehr überheblich rüber und man meint sie erwartet, dass das irische Forensiklabor ihr ständig auf Knien dafür danken müsste, dass sie ihr extensives Wissen mit ihnen teilt und diesen Hinterwäldern, die allesamt keine Ahnung von Tatortermittlungen haben, zeigt wie man sowas richtig macht. Besonders amüsant wird das, wenn sie über ihre Studienzeit nachdenkt und dabei einen Kommilitonen als 'Besserwisser' bezeichnet, obwohl sie selbst im Buch recht häufig eine stark besserwisserische Ader zeigt. Das ganze wird nur noch schlimmer, wenn wir in die beiden anderen Figuren, aus deren Blickwinkel geschrieben wird, kennenlernen: Da ist Chris, einer der Polizisten, die an dem Fall arbeitet und Daniel, Reilleys alter Dozent und Mentor. Chris wiederholt wieder und wieder was für eine tolle Frau Reilley doch ist und was für ein Glück sie alle haben, dass Reilley jetzt bei ihnen im Labor arbeitet. Daniel erklärt ständig was für eine tolle Studentin sie war, was für ein Glück die Iren haben, dass sie jetzt bei ihnen ist...ach ja Andeutungen über ihre tragische Vergangenheit macht er auch häufig, und dass so eine tolle Frau wie sie wirklich etwas Ruhe und Frieden verdient hat, nach allem was sie durchgemacht hat.Jaja, ich habs kapiert...wenn Autoren meinen der Leser wäre zu dumm all die tollen Vorzüge ihrer Hauptfigur zu erkennen, dann lassen sie eine andere Figur eben diese Vorzüge erwähnen...das ist für mich schlimmer als wenn 'nur' der Erzähler immer darauf rumreitet.Tja, und dann war da noch der Fall an sich. Wie oben geschrieben fand ich die Grundidee wirklich vielversprechend, aber meine Erwartungen wurden leider nicht erfüllt. Das lag vor allem an der persönlichen Ebene (für Reilley), die dabei ins Spiel kam. Wie schon im Klappentext versprochen ist der Killer ja hinter ihr her, nicht weil sie ihm während ihrer Ermittlungen zu nahe kam und er kalte Füße bekommen hat, nein sie war von Anfang an das Ziel. Wer dahinter steckt, ahnt jeder der schon genug Krimis gelesen hat schon maximal nach der Hälfte des Buches und das 'warum' wirkt so konstruiert, dass man nur noch entnervt die Hände vor dem Kopf zusammenschlagen möchte. Alles in allem ein vielversprechender Beginn, der dann massiv nachgelassen hat.