Ein Buch mit einem Anwalt als Hauptfigur, der gegen eine Verschwörung kämpft die bis in die Nazizeit zurückreicht trifft je eigentlich gleich drei Punkte auf der Liste von Dingen die mich in Büchern so gar nicht interessieren. Das Kindermädchen schaffte es aber all das sehr gut zu verarbeiten. Joachim Vernau ist ein unglaublich sympathischer Hauptcharakter und Elisabeth Hermann hat (wie u.a. auch Friedrich Ani) etwas sehr wesentliches erkannt: man braucht gar keine extrem tragische und traumatische Vergangenheit um seine Charaktere unverwechselbar zu machen. Gut geschrieben können auch Alltagssorgen reichen. In Vernaus Fall ist das das Verhältnis mit seiner Mutter. Es ist kompliziert aber nicht wegen eines schweren Zerwürfnisses. Vernau ist einfach die überschwängliche Fürsorge seiner Mutter etwas unangenehm weswegen er sie immer seltener besucht. Im laufe des Buches kommt es dann wieder zu engerem Kontakt, manchmal tragisch, manchmal komisch (und manchmal beides gleichzeitig) und in jedem Fall wesentlich realitätsnäher und greifbarer als die Probleme der meisten anderen literarischen Ermittler.
Der Fall selbst ist auch spannend und auch wenn es zweifellos eine Verschwörung ist, ist es keine bei denen Mann mit den Augen rollt und sich denkt „Sicher. So viele Mitwisser und in all der Zeit hat sich keiner verplappert.“ Es gab nämlich wirklich nur wenige die alles wussten und natürlich wollen die Vernau davon abhalten alles zu erfahren. Dann sind da aber noch die Personen, die wenig wussten aber einfach nie Fragen gestellt haben, mit denen sie vielleicht einiges viel früher hätten aufklären können. Vernau erinnert sie jetzt daran, worüber sie alles andere als glücklich sind. Diese Menschen sind fast genauso panisch darüber, dass er mehr herausfinden könnte wie die tatsächlichen Täter und legen ihm auch einiges an Steine ihn den Weg.
Negativ fallen nur Kleinigkeiten auf. Das Ende zieht sich ein wenig, zu viele Charaktere werden eingeführt und haben nur so kurze Auftritte, dass es schwer ist sie alle auseinanderzuhalten. Außerdem hat Vernau doch recht beeindruckende ja fast übermenschliche Fähigkeiten wenn man bedenkt, dass er eigentlich nur ein durchschnittlicher Kerl ist, der im Laufe des Romans verprügelt, angeschossen, beinahe lebendig begraben und sogar noch einiges mehr wird, sich von den dadurch entstehenden Verletzungen aber nie davon abhält weiterzumachen. Ich nenne es das Harry Dresden-Syndrom...