Nachdem ich den Klappentext nur überflogen hatte hat mich der Beginn gleich überrascht. Ich hatte nämlich eher ein Sachbuch über Mordfälle in Bayern erwartet aber das Buch las sich eindeutig eher wie ein Roman/Erzählung. Eine genauere Untersuchung des bis dahin übersehenen Vorwortes brachte Klarheit: die Fälle über berichtet wird haben sich tatsächlich ereignet, aber (besonders bei denen vom Beginn der beschriebenen 200 Jahre) die Quellenlage ist lückenhaft und/oder widersprüchlich. Um eine zusammenhängende Geschichte zu bekommen muss ein wenig spekuliert werden und fiktionale Personen müssen 'aushelfen'. Damit habe ich an sich kein Problem. Hans Pfeiffer hat auch sehr ähnlich gearbeitet und genau wie der liest sich Hültner sehr flüssig und kurzweilig. Was aber störend ist, ist die Tatsache das für mich Fiktion und Realität in den Erzählungen zu sehr ineinander fließen. Wo die nackten Tatsachen aufhören und die Phantasie des Autors anfängt ist nicht klar ersichtlich. Besonders wenn einem Richter in einem Mordprozess aus den 60ern in inneren Monologen Sympathien fürs NS-Regime nachgesagt werden ist das schon irgendwie problematisch. Ganz besonders weil man als Leser keine Möglichkeit hat das selbst nachzuprüfen denn Quellenangaben Bibliographien sind nicht vorhanden. Überhaupt nicht. Selbst wenn (was wahrscheinlich ist) der größte Teil aus verstaubten Archiven stammt zu denen man als Normalsterblicher kaum Zugang bekommen wird wäre es trotzdem schön zu wissen woher der Autor seine Informationen hat.
Unverständlich ist auch warum bei den neueren Fälle keine Informationen zum Strafmaß zu finden sind. Es ist verständlich das hier Namen geändert wurden um die möglicherweise noch lebenden Angehörigen zu schützen aber warum auch das verschwiegen wird erschließt sich mir wirklich nicht.
Nach so viel Gemecker: die Auswahl der Fälle war sehr gut. Im Vorwort erklärt der Autor, dass er nach solchen gesucht hat die symbolisch für die Zeit in der sie passiert sind stehen und das ist eindeutig gelungen. Vom mörderischen Priester der seine Taten zu einem Zeitpunkt begangen hat als der Klerus schon so viel Einfluss verloren hatte das das nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden konnte aber noch genug hatte dass er abgesehen vom Verlust seiner Ämter noch relativ glimpflich davonkam über die sprichwörtlich auf dem rechten Auge blinde Justitia aus der Zeit zwischen den Weltkriegen bis zur Verwirrung der Nachkriegsjahre ist keiner der Fälle eben 'einfach nur' ein Mord sondern irgendwie auch symbolisch für ein ganzes Land (/Bundesland/Königreich).